Energiewende um jeden Preis - wenn Umwelt und Natur nichts mehr zählt
Stille, Entspannung, saubere, klare Luft, ein Refugium für Körper und Seele. Hier wird nicht der Spa-Bereich eines 4-Sternehotels, sondern der Naturpark Augsburg Westliche Wälder beschrieben, Rückzugsort von Mensch und Tier.
Doch damit dürfte es bald vorbei sein, wenn es nach den Plänen des Mertinger Bürgermeisters Veit Meggle und einiger Gemeinderatsmitglieder geht. Diese planen, in Zusammenarbeit mit der Firma JP-Joule aus Buttenwiesen ein industrielles Großprojekt, auch im Mertinger Wald als Bestandteil des Naturparks Westliche Wälder.
Die Gemeinde Mertingen betreibt mit der Firma JP-Joule ein Nahwärmenetz (Pro Therm Mertingen). Die Wärme wird derzeit durch Biogasabwärme und ab Herbst 2023 durch ein Luftwärmepumpensystem, gespeist von Photovoltaik-Energie, hierfür werden PV-Freiflächen errichtet, für das Netz erzeugt. Zusätzlich sollen die Luftwärmepumpen Netzstrom beziehen, wenn dieser überschüssig vorhanden ist. Doch was ist, wenn die Sonne nicht scheint? Für diesen Fall scheint geplant, mindestens 5 Windkraftanlagen zu errichten, welche nach ersten Informationen wohl eine Höhe von ca. 250 Meter haben und im Mertinger Wald errichtet werden sollen. Dies ist, nachdem die Landesregierung die bisherige 10H-Regel gelockert hat, möglich, da ab 16.11.2023 Windenergieanlagen in Wäldern mit 1000 Meter Abstand zur Wohnbebauung errichtet werden können. Dies scheint auch der einzige Grund für die Standortwahl der Windkraftanlagen zu sein.
Doch die Folgen für Mensch und Natur sind vielfältig. Bodenversiegelung durch riesige Betonfundamente und Anlegung von Zufahrtsstraßen, Austrocknung des Bodens, Vogel- und Insektensterben durch sich drehende Rotoren, Lärmbelastung, ein Problem für Mensch und Tier, sind nur einige Problemfelder, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll. Diese Problematiken wurden bereits vielfach publiziert. Das diese Probleme den Bürgern der Gemeinde Mertingen bekannt sind, scheint auch den Planern bewusst zu sein. Warum sonst sollte dieses Vorhaben „im Geheimen“ auf den Weg gebracht werden. Schriftliche Anfragen von Mertinger Bürgern zum Planungsstand des Projektes wurden von Herrn Meggle nicht beantwortet. Erst nach Schreiben an den Landrat und verschiedene Landtagsabgeordnete wurden seitens Herrn Meggle bekannt gegeben, dass auf Grund des derzeitigen Planungsstandes eine Information der Bürger noch nicht sinnvoll erscheint. Es liegen jedoch Informationen vor, dass bereits Steuergelder im Bereich mehrerer 10-tausend Euro für Gutachten seitens der Gemeinde ausgegeben wurden. Das lässt, entgegen der Äußerung des Herrn Meggle, auf einen bereits weit fortgeschrittenen Planungsstand schließen.
Doch es formiert sich Widerstand in der Gemeinde. Mehrere Mertinger Bürger haben sich zu einer Initiative zusammengeschlossen, mit dem Ziel, die Zerstörung der „Grünen Lunge“ der Gemeinde Mertingen zu verhindern. Es geht nicht um die Verhinderung der Energiewende, es geht nicht gegen Windkraft. Windkraft ist ein Baustein im Gesamtsystem der erneuerbaren Energien, aber dort, wo die Auswirkungen auf Mensch und Natur auf das notwendigste Maß reduziert werden können. Windkraft nicht auf Kosten unseres Waldes. Andere Kommunen sind in dieser Frage bereits weiter. So hat die Stadt Passau vor kurzem im Rahmen eines vom Bund Naturschutz, den Grünen und der ÖDP gestarteten Bürgerentscheides entschlossen, dass es der Stadt Passau verbietet, Wald für Bauprojekte abzuholzen. Die ÖDP bietet jetzt allen Waldschutzinitiativen Hilfe an, Bürgerentscheide nach Passauer Vorbild durchzusetzen. Vielleicht ist dies ein gangbarer Weg für Mertingen. Entscheiden müssen die Bürger.
Veit Vogel
Vollgasfahrten in die Energiewende haben Ihren Preis
Seit dem 1. Januar 2023 ist das Bayerische Klimaschutzgesetz (BayKlimaG) in Kraft getreten. Hierbei wurden vier wissenschaftliche Ansätze, unter Zuarbeit der Industrie und der Energiewirtschaft, entwickelt um bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu werden. Damit möchte die Bayerische Regierung Verantwortung übernehmen, um „globale Klimaschutzziele“ zu erreichen[1]. Was versteht man unter dem Begriff „Klimaneutralität“? Vereinfacht gesagt, bedeutet es, dass das Klima ab einem fest definierten Zeitpunkt, am Beispiel des Freistaats das Jahr 2040, nicht weiter durch menschliches Handeln beeinflusst wird, weder in die eine noch in die andere Richtung. Allerdings ist dass, was die Deutsche Regierung an Maßnahmen gesetzlich verankert hat, nur ansatzweise dazu geeignet „klimaneutral“ zu werden. Die Klimavorgänge sind viel zu komplex, als das es sich durch Einzelmaßnahmen, wie in Deutschland beabsichtigt „positiv“ verändert. Vielmehr sprechen wir von einer gewollten Reduzierung der Menge an Treibhausgasen, wie z. B. CO2 , unter stärkerer Nutzung von erneuerbaren Energien, was das Gleichgewicht des Klimas stabilisieren könnte. Man muss jedoch dabei unterscheiden zwischen vermeidbaren und nicht vermeidbaren Emissionen. Soweit es technologisch bedingt zu nicht vermeidbaren CO2 Emissionen kommt, welche in Tonnen angegeben werden, versucht man rechnerisch durch die Vermeidung oder Einsparung von CO2 Emissionen in anderen Sektoren auf eine Gesamtbilanz von „Null“ Tonnen Emissionen CO2“ zu kommen. Die Leitidee dahinter ist, auszudrücken, wir haben 1 Mill. Tonnen CO2 emittiert und 1 Mill. Tonnen CO2 eingespart und sind somit klimaneutral. In der Realität hat das mit „Klimaneutralität“, wie so oft geworben wird, wenig zu tun, sondern wir haben schlicht weniger Treibhausgase emittiert als zuvor. Dennoch wird deutlich, dass trotz fahrlässiger Verwendung des Begriffs „Klimaneutralität“ eine zielgerichtete Reduktion an CO2 Emissionen in die Umgebung erreicht wird, was grundsätzlich zu begrüßen ist.
Mit Inkrafttreten des BayKlimaG wird in den Bayerischen Landkreisen und Gemeinden mit „Vollgas“ versucht, den tatsächlichen Eigenbedarf an Energie, vollständig, durch die lokale Nutzung erneuerbarer Energieträger wie Wasser, Sonne und Wind zu decken.
Nun wissen wir aus unserer Lebenspraxis welche Konsequenzen „Vollgasfahrten“ haben können. Sie verursachen neben anfänglicher Euphorie häufig nicht wieder gutzumachende Schäden. Was auf den ersten Blick sinnvoll und gut klingt, lässt jedoch, bei genauerem Blick, sorgfältige Planung und ein gesundes Augenmaß vermissen.
Allein die Tatsache, dass die Befürworter von erneuerbaren Energieträgern, uns Bürgern vorgaukeln möchten, dass eine 100%ige Deckung unseres Eigenbedarfes an Energie, durch Sonne, Wind und Wasser, bereits „klimaneutral“ sei, ist eine reine Provokation und Irreführung. Auch hier geht es lediglich um eine Reduktion an Treibhausgasen, welche das Klima beeinflussen. Beiläufig bleibt häufig unerwähnt, dass die Beschaffung von Rohstoffen, die Herstellung, die Montage und der Betrieb von Solarzellen, Wasserkraftwerken und Windkraftanlagen ebenfalls mit der Emission von Treibhausgasen verbunden sind. Hier ist der Begriff des „Greenwashing“ ganz zutreffend, weil ausgewogenes, verantwortungsbewusstes und umweltfreundliches Handeln vorgetäuscht wird.
Leider verführt das globale Ziel „Erreichung der Klimaneutralität“ viele Gemeinden dazu abenteuerliche Handlungen zu begehen, deren Folgenkosten unsere und spätere Generationen zu tragen haben. Gemeinden, die bereits heute eine vollständige Deckung ihres Eigenbedarfes, zumindest auf dem Papier, durch regenerative Quellen, erreicht haben, gelten dabei als „Influencer mit Vorbildwirkung“, sarkastisch ausgedrückt. Andere Gemeinden, wie z. B. Mertingen, welche „nur“ 41% ihres Eigenbedarfs durch einen regenerativen Energiemix decken können, fühlen sich unter Druck gesetzt und suchen händeringend nach Lösungen, um ein scheinbar besseres Bild nach außen abzugeben. Ein Lösungsvorschlag der Gemeinde Mertingen ist, 5 Windkraftanlagen, mit einer Gesamthöhe bis zu 250 m, im Mertinger Wald, zu errichten. Mit dem Betrieb dieser Anlagen, könnte der Eigenbedarf an Energie in der Gemeinde, zumindest theoretisch, gedeckt werden, so die Idee des Gemeinderates. Weil die Errichtung dieser Anlagen erhebliche negative Auswirkungen auf den Wald, die Anwohner sowie deren Gesundheit haben wird, versucht man das Projekt in kleinen Schritten, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, möglichst reibungsarm voranzutreiben und ohne Bürgerbeteiligung durchzudrücken.
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die Nutzung der Windenergie genau dort sinnvoll und rentabel ist, wo kontinuierlich Wind vorherrscht, und zwar in einigen Küsten- und Gebirgsregionen. Genau diese stetigen Windverhältnisse lassen sich nicht im Mertinger Raum nachweisen. Auch darum wird das Projekt bestmöglich verschleiert und getarnt. Ganz gleich, ob sich die Windkraftanlagen in Mertingen jemals amortisieren werden, die Gemeinde ist auf gutem Weg die Regierungsbeschlüsse „blind“ umzusetzen und damit das Papierziel „Klimaneutralität“ schnellstmöglich zu erreichen. Der Nutznießer dieser Windkraftanlagen wäre allein der Betreiber, wohingegen die Risiken und Folgekosten auf die Allgemeinheit sowie auf die Waldbesitzer abgewälzt werden.
Da Mertingen keine ausgewiesene Windregion ist, müssen auch alternative Vorschläge neu bewertet werden. Als erste Maßnahme wäre darauf achten, dass der Energieverbrauch in der Gemeinde, z. B. nachts und am Wochenende, gesenkt wird. Parallel dazu sollte eine Beschränkung der Biogasenergieproduktion temporär aufhoben werden, weil diese Anlagen mehr Energie produzieren können als sie dürfen. Solange es nicht genügend Speichermöglichkeiten für Sonnen-, Wind- und Wasserenergie gibt, und auch jahreszeitbedingt nicht immer regenerative Energie ausreichend zur Verfügung steht, werden wir zwangsläufig Atomstrom aus Frankreich einkaufen. Mittelfristig können auch neue Energietrassen von Nord- nach Süddeutschland, die staatliche Förderung von Photovoltaik und die Investition in die Entwicklung neuer Energiespeicher eine Lösung darstellen. Da das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 ausgegeben wird, können auch viele kleine Einzelmaßnahmen zur Entlastung der Industrie und der Haushalte beitragen, anstelle einer adhoc Revolution mit sehr hohen Folgekosten.
Was würde passieren, wenn der Gemeinderat, ohne Bürgerbeteiligung, den Bau der Windkraftanlagen im Mertinger Forst genehmigt? Einige Erfahrungen aus ähnlichen Projekten können zur Vorwegnahme möglicher Folgen heran- gezogen werden.
- pro Windkraftanlage wird durchschnittlich eine Fläche von einem Fußballplatz (0,5 ha) verbraucht und dauerhaft
ohne Baumbestand sein, welcher für die Decarbonisierung der Luft fehlt
- stabile Ökosysteme werden dauerhaft zerschnitten
- Böden werden stark versiegelt, nehmen weniger Wasser auf, was zu überhöhter Erosion und Überschwemmung
in den Randgebieten führt
- freiliegende Flächen mit Windkraftanlagen trocknen den Boden schneller aus, verändern das Mikroklima im Wald
und schaffen Angriffspunkte für zunehmenden Windbruch
- große Insektenpopulationen werden durch schnell rotierende Blätter getötet
- die Temperatur in gerodeten Flächen ist leicht erhöht, die Luftfeuchtigkeit geringer, was Bodenbewohner wie
Käfer, Insekten und Würmer vertreibt
- der Nährstoffkreislauf im Wald wird unterbrochen, die Stickstoffaufnahme behindert
- das Fundament der Windkraftanlagen bleibt bis zu 100 Jahre im Boden, währenddessen Windkraftanlagen alle 25
Jahre erneuert werden müssen
- während der Bebauungszeit wird der Wald für ca. 2 Jahre gesperrt, der Schutzraum für viele Tierarten ist nicht
mehr vorhanden, die Tiere leiden unter Stress, wegen starker Fahrzeug- und Erdbewegungen
- der Ruhe- und Erholungseffekt für Spaziergänger ist stark beeinträchtigt, aufgrund der Rotationsgeräusche, sensible
Menschen erleiden Schwindeleffekte und müssen sich übergeben
- die Reproduktionsrate an Wild ist stark herabgesetzt aufgrund von Stress
- Windanlagen im Mertinger Wald produzieren nur Teilmengen der Energie, für die sie eigentlich konzipiert sind, weil
die Windverhältnisse nicht ausreichend für einen rentablen Betrieb sind
- zerstörte Waldböden geben große Mengen an CO2 frei, weil diese nicht mehr gespeichert können
Marcel Schäfer
[1] Vgl. https://bayernplan-energie.ffe.de/#start
Kommentar:
Leserbrief in der Donauwörther Zeitung zum Artikel „Energiewende: Vollgas mit gewissen Tücken“ vom 14.09.2023
Im Artikel wird bemängelt, wie wenig bisher für das Ziel Klimaneutralität getan wurde und hierbei wird die Gemeinde Mertingen als schlechtes Beispiel dargestellt und mit Kommunen verglichen, welche keinen so hohen Industrieanteil haben. Dass diese Kommunen es deutlich leichter haben, ihren Eigenenergiebedarf zu decken, wird unterschlagen. Mertingen erzeugt laut dem Stand 2021 41 Prozent seiner Energie selbst. Bei einem jährlichen Stromverbrauch von 68 MWh sind das immerhin 28 MWh pro Jahr. Der Anteil ist mittlerweile durch weitere Ausbauten gestiegen. Mertingen hat auf dem Sektor der erneuerbaren Energien viel getan. So wurde in Mertingen ein Nahwärmenetz errichtet, welches die Wärme durch Biogasabwärme erzeugt. Hauptsächlich erzeugen die Biogasanlagen jedoch Ökostrom, die Wärme ist nur ein Abfallprodukt. Im Herbst werden industrielle Luftwärmepumpen, die ihren Strom aus einem in der Gemeinde angesiedelten PV-Park beziehen, weitere klimaneutrale Energie ins Wärmenetz liefern und klimaneutral Strom erzeugen. Privathaushalte unterstützen die Energiewende mit eigenen PV-Dachanlagen. Es ist utopisch, zu glauben, dass eine kleine Gemeinde den Gesamtstrombedarf für sich selbst und ansässige Firmen selbst erwirtschaften könnte. Die Verantwortung für die Energiewende wird auf die Landbevölkerung abgewälzt, ungeachtet dessen, dass fast ausschließlich diese für das in der Energiewende bereits Erreichte verantwortlich ist. Sie stellt die benötigten Flächen zur Verfügung und muss mit den Folgen für Umwelt und Natur leben. So soll z.B. das einzige vorhandene Ökosystem Wald, die „Grüne Lunge“ der Gemeinde, als Vorranggebiet zur Windenergienutzung ausgewiesen werden.
Veit Vogel